-----Original-Nachricht-----  22.04.2014 17:14 Uhr

 

Betreff: Musikalischer Gottesdienst

 

Von: Schuldekan Jeub, Freiburg

 

An: holger treutmann, frauenkirche dresden

Sehr geehrter Bruder Treutmann,

ich habe es erst gar nicht glauben wollen, als jemand mich darauf aufmerksam machte, aber da steht es tatsächlich im Veranstaltungskalender für den 30. April: in der Dresdner Frauenkirche, deren Wiederaufbau als Mahnmal gegen den Krieg ich vor Jahren unterstützt habe, findet ein Gottesdienst "in Kooperation mit der Bundeswehr" statt. Weiter ist zu ersehen, dass Unverständnis und Protest gegenüber dieser Verirrung so abgetan werden, dass post factum in der Krypta (!) darüber diskutiert werden darf. Aber so geht es nicht!

Ich bitte Sie herzlich: Ziehen Sie die Reißleine und sagen Sie diesen Gottesdienst ab oder laden Sie das "Wehrbereichsmusikkorps III" wieder aus. Das mag mit Unannehmlichkeiten verbunden sein, ist jedoch unbedingt der verheerenden Signalwirkung vorzuziehen, die von einer solchen Veranstaltung heute ausgehen muss.

Im hundertsten Gedenkjahr des 1. Weltkrieges, in dem wir auf Ausstellungen die verhängnisvolle Allianz von Religion und Militär, Thron und Altar dokumentieren, sagt dieses Signal: Es passt doch zusammen, Talar- und Uniformträger konzelebrieren wieder, "Wir treten zum Beten...etc."  Nichts, aber auch gar nichts aus einer langen militaristischen Schuldgeschichte gelernt!

Zweitens fällt ihr "Musikalischer Gottesdienst" in eine Zeit, wo am kriegsunwilligen Volk geradezu kampagnenhaft und mit vereinten Kräften von Großer Koalition, Bundespräsident und  Mainstreampresse daran gearbeitet wird, weltweite militärische Interventionen als Mittel der Politik wieder salonfähig zu machen. "Die Kirche ist dabei!" sagt das Signal, wenn ausgerechnet am zentralen symbolischen Ort von Frieden und Versöhnung das Militär Gottesdienste gestaltet und sich so seine religiöse Legitimation besorgt.

Ganz aktuell erleben wir auch in Europa Spannungen, Drohkulissen werden aufgebaut, markige Worte und Gewaltszenarien kursieren - und die Frauenkirche lädt ein zum Abendgottesdienst mit Bundeswehr?

Sie mögen, lieber Bruder Treutmann, am 30. 4. die Seligpreisungen rezitieren und in der Predigt den Frieden beschwören, diesen Kontext werden Sie nicht los und die beschriebene Signalwirkung ist unausweichlich.

Ich möchte Ihnen gerne mitteilen, dass mir dieses Signal unerträglich ist und dass ich damit nicht allein stehe. Vielleicht meinen Sie - darauf deutet die peinliche Einladung hin, kritische Fragen könnten im Anschluss gestellt werden -, dass Ihr Unternehmen unter Christen heute mehrheitliche Zustimmung fände und nur ein paar notorische "Friedensspinner" Anstoß nehmen. Das ist ein Irrtum. In der Badischen Landeskirche hat gerade ein großer zweijähriger Diskurs zur Friedensethik stattgefunden, der andere Mehrheitsüberzeugungen erbrachte, siehe landeskirchliche Homepage: http://www.ekiba.de/html/content/friedensethik.html

Die von Ihnen verantwortete Veranstaltung mag Ihnen in manchen Kreisen Renommé bringen, im Kirchenvolk irritiert, verletzt und empört sie mehr Menschen als Sie sich vorstellen mögen. Hier in Freiburg, das bei Bombenangriffen im Verhältnis noch glimpflich davon kam, wäre sie undenkbar. Und dann in der Trümmerstadt Dresden, an der wiedererbauten Frauenkirche, in der Oster-, in der Auferstehungszeit Gottesdienst mit Wehrbereichsmusikkorps III - verzeihen Sie, aber es macht einfach fassungslos!

Mit freundlichen Grüßen

 

Manfred Jeub

 

Evang. Schuldekan Freiburg

Ernst-Lange-Haus

 


Anmerkung der "Initiative Musiker gegen Auftritte der Militärmusikkorps": Uns liegt mit Datum vom 19.05.2014 ein Schreiben vor, in dem uns ausdrücklich erlaubt wird, diese E-mail ins Internet zu stellen.