ZEIT ONLINE / OSTKURVE von Christoph Dieckmann, 24. April 2014

Garnisonkirche Dresden?

Bundeswehr, sächsisches Innenministerium und die Stiftung Frauenkirche laden ein zur Gotteslästerung. Milder kann ich es nicht nennen. Die Einlader hingegen sprechen von einem "musikalischen Gottesdienst". Am 30. April 2014 soll in der Dresdner Frauenkirche "das Wehrbereichsmusikkorps III der Bundeswehr unter Leitung von Oberstleutnant Roland Dieter Kahle" aufspielen. Die evangelische Kirche liefert eine liturgische Umrahmung, auf dass Gott nicht klage, sein Haus und sein Name würden pervertiert. Doch ebendas geschieht, durch kirchliche Werbung für die Bundeswehr. Einst war ich gegen den Wiederaufbau der Frauenkirche. Deren Ruine sollte antimilitaristisches Mahnmal bleiben. In der Nacht zum 14. Februar 1995 stand ich unter den vielhundert Dresdnern, die sich, Kerzen in den Händen, um die Trümmer scharten und Dona nobis pacem sangen. Dann sah ich den Neubau wachsen und spürte unverhoffte Freude. Der 30. Oktober 2005 machte mich glücklich. An diesem Tag der Weihe verbrachte ich sieben Stunden in der wiedererstandenen Steinernen Glocke. Ihr gilt mein erster Blick, wenn ich nach Dresden komme und der Zug die Marienbrücke überquert. Was ich nicht wollte: eine Show- und Touristenkirche, einen Tempel protestantischer Selbstdarstellung, ein Institut zur religiösen Veredlung der Staatsideologie, die sich deutlich militarisiert. Der Protestantismus hat eine lange Geschichte opportunistischer Feigheit und politischen Missbrauchs. Aber christlicher Glaube ist wesenhaft pazifistisch; Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. In Gottes Haus ist jeder Mensch willkommen, auch jeder Soldat. Er möge aber einzeln kommen, nicht als Armee. Und entwaffnet, ohne Pauken und Trompeten.

CHRISTOPH DIECKMANN, 1956 in Rathenow geboren, ist Autor und Kolumnist der ZEIT - COPYRIGHT: ZEIT ONLINE


DIE ZEIT Nr. 18/2014, 24. April 2014, von Evelyn Finger

 

Kirche für alle - Warum sollen Soldaten keinen Gottesdienst abhalten dürfen?

 

Soldaten sind keine Mörder. Jedenfalls nicht in einem Land, dessen Armee keine Angriffskriege führen darf. So steht es im Grundgesetz der Bundesrepublik. Das heißt: Unseren Soldaten sind nur Verteidigungs- und Friedenseinsätze erlaubt. Sie sind Staatsbürger in Uniform. Trotzdem gibt es jetzt Proteste gegen einen Militärgottesdienst" in der Dresdner Frauenkirche am 30. April.

Die Begründung: Gerade diese Kirche stehe "als ein Symbol gegen den Krieg und für Versöhnung und Frieden". Zwischen den Zeilen heißt das: Die Bundeswehr symbolisiert den Krieg. So ist es aber nicht. In der Bundesrepublik steht die Armee unter dem Verdikt des "Nie wieder!".

Warum also die Aufregung? Weil auch unsere Soldaten im Ernstfall töten? Damit würden sie in der Tat gegen das christliche Gebot verstoßen. Aber nicht unbedingt gegen die Friedensbotschaft Jesu Christi – etwa bei einem Friedenseinsatz in der Zentralafrikanischen Republik, wo sich derzeit Christen und Muslime gegenseitig massakrieren. Befürchten die Protestierenden, dass auch die Bundeswehr insgeheim kriegerisch, ja aggressiv sei? Das Wort vom "Militärgottesdienst" lässt darauf schließen. Tatsächlich ist nur ein "musikalischer Gottesdienst" angekündigt, zu dem das Landeskommando Sachsen, das sächsische Innenministerium und die Stiftung Frauenkirche einladen. "Es spielt das ehrbereichsmusikkorps III." Kriegstreiberei klingt anders. Trotzdem könnte man sagen: Ein Gottesdienst ist kein verfassungspolitischer, sondern ein religiöser Akt. Folglich muss man religiös argumentieren. Die Protestierenden, unter ihnen auch Pfarrer, sagen: "Keine Militärmusik in Kirchen! Schwerter zu Pflugscharen!" Nun ist aber gewaltverherrlichende Militärmusik nicht geplant. Und wenn ein Gottesdienst für alle Menschen da ist, muss er auch für Soldaten da sein. Der Opfertod Jesu Christi erwirkt die Vergebung auch ihrer Sünden. Das nimmt dem Soldaten nicht die Verantwortung für sein Handeln. Das legitimiert keinen Krieg. Aber hatte hier jemand vor, Krieg zu führen? Nein. Im Gegenteil. Das Militär, das in der Kirche spielt, unterwirft sich symbolisch der christlichen Friedensbotschaft. Leider haben deutsche Christen, deutsche Kirchen diese Botschaft selbst verraten – zuletzt im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Sie segneten Waffen, ermunterten zum Töten.

Wahrscheinlich soll in Dresden genau diese Vergangenheit verscheucht werden. Sie ist ein schwerer Einwand gegen die Kirche von damals. Aber nicht gegen die Soldaten von heute.
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