Handreichung der Evang.-luth. Landeskirche Hannovers zum Thema "Konzerte der Bundeswehr in evangelischen Kirchen"

Landeskirchenamt - Abteilung 2, Referat 23 "Mission und Ökumene, Öffentlichkeitsarbeit und Publizistik" zusammen mit dem "Haus kirchlicher Dienste". Diese Handreichung basiert auf der Examensarbeit von Nicole Fröchtenicht "Militärkonzerte in der Kirche?"

 

Handreichung zu: Konzerte der Bundeswehr in evangelischen Kirchen (Stand 2017)

 

Konzerte der Bundeswehr in evangelischen Kirchen und Gottesdiensträumen? Diese Frage hat uns in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt. Sie wird in Gemeinden und Initiativen kontrovers diskutiert und unterschiedlich bewertet.

 

Die vorliegende Handreichung fasst eine Reihe von Leitfragen zusammen, die in Gesprächen in den Kirchenvorständen und mit Gemeindegliedern helfen können, zu einer gemeinsamen Position zu gelangen, bzw. für eine bestimmte Position, die erarbeitet wurde, zu werben.

 

Darüber hinaus werden Aspekte und Themen genannt, die zu vertiefter Befassung und zur Klärung herangezogen werden können.

 

Für die notwendige Diskussion in einer Kirchengemeinde, die ein Konzert der Bundeswehr in ihren Räumlichkeiten erlauben, bzw. untersagen will, sind folgende Fragen möglicherweise hilfreich:

 

Inhaltlich:

  1. Welches politische Signal setzt die Kirchengemeinde, wenn sie ein Konzert der Bundeswehr in ihren Räumen erlaubt, bzw. untersagt?
  2. Ist die Öffentlichkeitswirkung der Entscheidung für oder gegen das Konzert bedacht und sind die unterschiedlichen Stimmen aus der Gemeinde in den Blick genommen worden?
  3. Bedeutet das Konzert der Bundeswehr in der Kirche eine unzulässige Vermischung von Kirche und Staat? Und wenn ja, warum?
  4. Werden die momentanen Einsätze der Bundeswehr im Rahmen ihres verfassungsrechtlichen Mandats unterstützt? Gibt es aktuelle Entwicklungen, die zu Vorbehalten oder zu einer besonderen Unterstützung führen?
  5. Kommt die Kirchengemeinde ihrer Aufgabe nach, im friedensethischen Diskurs den „Vorrang für Zivil“ deutlich zu machen?
  6. Hilft das Konzert den Prozess zu befördern, den die Synode der Landeskirche einstimmig beschlossen hat: „Auf dem Weg zur Kirche des gerechten Friedens“?

Praktisch:

 

  1. Ist sichergestellt, dass die Konzertveranstaltung vom Grundsatz her für alle zugänglich ist?
  2. Welchen Auftrag haben die Geistlichen, wenn sie eine Aufgabe im Rahmen der Veranstaltung übernehmen?
  3. Sind Einladungsmodalitäten und sicherheitsrelevante Fragen geklärt

 

Wer sich zu „Militärkonzerten“ in Kirchen, bzw. in kirchlichen Räumen positionieren will oder muss, wird bestimmte inhaltliche Fragen bedenken und eine Reihe weiterer Aspekte berücksichtigen müssen. Im Folgenden weisen wir auf vier grundlegende Aspekte hin:

 

1. Mit welchem (Selbst-)Verständnis betrachten wir den Kirchenraum und was bedeutet dies für die Möglichkeit säkularer Konzerte und Veranstaltungen in unserer Kirche?

 

Unsere Kirchen sind besondere Orte. Sie repräsentieren als „Häuser Gottes“ den christlichen Glauben und sind Ausdruck christlicher Identität. Sie sind sichtbare Zeichen für die Präsenz Gottes und Zentrum der Gemeinde. Gegenwärtig stehen Kirchengebäude aber auch für andere Zwecke zur Verfügung. Von Theateraufführungen über Kunstausstellungen bis hin zu weltlichen Konzerten werden Kirchen vielfältig genutzt. Dennoch ist es nicht beliebig, welche Veranstaltungen in einer Kirche stattfinden können. Bei vielen weltlichen Konzerten und kulturellen Veranstaltungen lässt sich für den Kirchenvorstand wahrscheinlich leicht entscheiden, ob die Kirche dafür zur Verfügung gestellt werden kann. Auch wird es Anfragen geben, bei denen aufgrund des Veranstaltungsformats eine negative Antwort sofort nahe liegt.

 

Musikveranstaltungen der Bundeswehr in Kirchen sind in diesem Zusammenhang noch einmal besonders zu betrachten. Allein aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung und möglicher kritischer Anfragen ist es notwendig, sich mit Auftrag und Mandat der Bundeswehr und der Position der Kirche dazu auseinanderzusetzen.

 

2. Wie verstehen wir heute Militärmusik? Was fasziniert, bzw. befremdet uns an Konzerten der Bundeswehr?

 

Bereits im 15. Jahrhundert entstanden die ersten Märsche, mit deren Rhythmus und Melodie die gleichmäßige Fortbewegung der Truppe gewährleistet und Erschöpfung entgegengewirkt werden konnte. Im 19. Jahrhundert leisteten die gut aufgestellten Militärkapellen durch das Aufführen von Opern und Orchesterwerken einen speziellen kulturellen Beitrag für die Gesellschaft. In dieser Zeit fanden schon Konzerte der Militärkapellen in Kirchen statt.

 

Die geschichtliche Betrachtung der Militärmusik macht ihre Ambivalenz deutlich. Einerseits wurden die Musikkorps in der Vergangenheit als ein Propagandamittel eingesetzt, das zur Motivation der Soldaten und der Bevölkerung diente; andererseits führten die Musiker immer auch geistliche und weltliche Musik auf.

 

Die Militärmusik der Bundeswehr heute soll das Zusammengehörigkeitsgefühl unterstützen, dient der mentalen Identifikation der Soldaten mit der Bundeswehr und ist ein Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Sie trägt dazu bei, die Bundeswehr in die Gesellschaft einzubinden und das Ansehen der Bundeswehr im In- und Ausland zu stärken. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit musizieren die Musikkorps hauptsächlich bei internationalen Veranstaltungen zusammen mit anderen Musikkorps und bei Wohltätigkeitsveranstaltungen. Hierzu werden auch Konzerte in Kirchen gezählt. Die Musikkorps treten nicht bei politischen Veranstaltungen auf. Die Musikkorps der Bundeswehr musizieren – gemäß ihrem Selbstverständnis – in Uniform, um auf diese Weise ihre Präsenz und ihr Mandat als Teil der Gesellschaft – Bürger in Uniform – zu unterstreichen.

 

Dies wird allerdings in der Öffentlichkeit unterschiedlich wahrgenommen. Die einen begrüßen den musikalischen Auftritt der Bundeswehr in Kirchen und unterstützen das Musizieren zur eigenen Freude und zur Freude anderer. Auf diese Weise macht die Bundeswehr deutlich, dass sie ein verfassungsrechtlich legitimer Teil der Gesellschaft ist. Die anderen sehen diese Form der Werbung und Imagepflege kritisch und verbinden den Auftritt der Musikkorps mit gewalttätigem aktuellen kriegerischen Handeln und der problematischen Rolle des Militärs und der Militärmusik in der deutschen Vergangenheit.

 

3. Wie beschreiben wir das Verhältnis von Staat und Kirche?

 

Das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland regelt das Grundgesetz. Es beruht auf zwei Grundprinzipien: der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und dem Grundprinzip der Religionsfreiheit. Staat und Kirche sind institutionell getrennt und doch nicht völlig unabhängig voneinander. Dieses Verhältnis wird manchmal als „hinkende Trennung“ umschrieben.

 

Die Beziehung von Kirche und Staat im Sinne des Grundgesetzes ist Ausdruck unseres Demokratieverständnisses und theologisch begründet.

 

Gleichzeitig darf diese Beziehung nicht zu einer politischen Instrumentalisierung der Kirche, bzw. einer Sakralisierung des Staates führen. Aus diesem Grund steht die christliche Gemeinde in einer kritischen Solidarität zum Staat. Andere beschreiben dieses Verhältnis als ein „kritisches Gegenüber“. Schon auf Grund der deutschen Geschichte bedarf es zusätzlich im Umgang mit dem Militär in diesem Zusammenwirken von Kirche und Staat einer besonderen Sensibilität.

 

4. Inwieweit berücksichtigen wir friedensethische Positionen bei der Entscheidungsfindung?

 

Von einer Lehre vom gerechten Krieg grenzt sich die evangelische Kirche in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg, spätestens seit den 60er Jahren, klar ab. Stattdessen spricht sie heute von „gerechten Frieden“, „Vorrang für Gewaltfreiheit und Zivil!“ und „rechtserhaltender Gewalt“. Der Einsatz militärischer Gewalt darf demnach nur „ultima ratio“, letztes Mittel, sein. „Rechtserhaltende Gewalt“ darf nur unter klar benannten ethischen Bedingungen eingesetzt werden. Unter diesen engen Voraussetzungen werden militärische Optionen und damit der Auftrag der Bundeswehr ethisch legitimiert. Daneben steht die Forderung nach einem völligen Pazifismus als Konsequenz der Liebe Gottes, mit der jegliche Gewalt gegen Menschen nicht in Einklang gebracht werden kann.

 

Weiterhin ist die Friedensdenkschrift der EKD von 2007, „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ grundlegend. Sie will in dem angedeuteten ethischen Konflikt und für die aktuellen Fragestellungen eine Orientierung geben.1 (Alle folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Friedensdenkschrift der EKD von 2007)

 

Über und vor einem Zugeständnis an eine militärische Option, steht als „vorrangige Aufgabe“ im Konzept des gerechten Friedens die „zivile Konfliktbearbeitung“. Es gelten immer der „Vorrang für Gewaltfreiheit“ und der „Vorrang für Zivil“. Diesen Vorrang soll die Kirche stark machen: „Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten. …“ (S. 9)

 

Daraus ergibt sich die „Notwendigkeit der Prävention“ und „gewaltfreien Methoden der Konfliktbearbeitung wird ein Vorrang zuerkannt“. (S. 9) „Die Kirche hat hier eine herausragende Verantwortung. Zivile Konfliktbearbeitung kann, so viel ist sicher, nur dann gelingen, wenn sie nicht in erster Linie als Reparaturaufgabe verstanden wird, sondern als vorrangiges politisches Handlungsprinzip und als Querschnittsaufgabe.“ (S. 116) Zwangsmittel dürfen nur auf der Grundlage einer „rechtserhaltenden Gewalt“, also zur Herstellung von Recht, eingesetzt werden. Nach den ganz engen Kriterien des gerechten Friedens (S. 66ff) und des Völkerrechts: “… ist eine rechtmäßige Autorisierung militärischer Zwangsmittel nur als eine Art internationale Polizeiaktion nach den Regeln der UN–Charta denkbar.“ (S. 70) Diesen Kriterien unterliegt die Bundeswehr in besonderem Maße dadurch, dass sie eine Armee im Einsatz geworden ist. (S. 95) Es wird kritisch gesehen, dass inzwischen „…eine einseitige Prioritätensetzung zugunsten der Auslandseinsätze erfolgt.“ (S. 96)

 

Wird militärisches Handeln zur Eindämmung des Bösen und um den Nächsten zu schützen unter den engen ethischen Kriterien des „Gerechten Friedens und rechtserhaltenden Gewalt“ befürwortet, ergibt sich eine offenere Haltung auch zur Frage nach den Militärkonzerten im Kirchenraum. Werden militärische Mittel grundsätzlich mit Verweis auf die Feindesliebe oder eingeschränkt nach „dem Vorrang für Zivil und Gewaltfreiheit“ abgelehnt, oder weil die ethischen und politischen Kriterien für einen Einsatz nicht erfüllt sind, so wird dies wahrscheinlich auch Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung bezüglich Veranstaltungen der Bundeswehr in Kirchen haben. Alle Positionen gilt es im Kirchenvorstand sorgfältig abzuwägen. Zu fragen ist auch, ob die „zivilen Optionen“ in anderen kirchlichen Veranstaltungen zumindest ebenso in Erscheinung treten?

 

5. Fazit

 

Über die Bereitstellung und Nutzung der Kirchenräume verfügt der Kirchenvorstand bzw., im gottesdienstlichen Rahmen, das Pfarramt.

 

So hat der Kirchenvorstand sorgfältig abzuwägen, wie er sich zu der Frage der Bereithaltung und des Einsatzes von militärischen Mitteln in der aktuellen Situation positionieren will, denn als solche wird eine mögliche Zustimmung oder Ablehnung eines Konzertes der Bundeswehr in kirchlichen Räumen verstanden.

 

Gerade bei Konzerten der Bundeswehr, den sogenannten Militärkonzerten, ist damit zu rechnen, dass Anfragen zur Bereitstellung kirchlicher Räume Diskussionen hervorrufen. Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen stehen vor der Herausforderung, eine Entscheidung zu treffen, zu der sie inhaltlich stehen können. Die Handreichung macht deutlich, dass es sich um komplexe Fragestellungen handelt, die breite Diskussionen eröffnen können. Die o.g. Fragen und Kommentare sollen dazu eine Orientierung bieten.

 

Für weitere Gespräche steht der Referent für Friedensfragen im Haus Kirchlicher Dienste zur Verfügung.

 

5.7.2017, OLKR Rainer Kiefer, Pastor Lutz Krügener

 

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Handreichung bzw. Prüffragen der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers, OLKR Rainer Kiefer, Pastor Lutz Krügener zum Thema "Konzerte der Bundeswehr in evangelischen Kirchen"
Handreichung_Konzerte_Bundeswehr.pdf
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